Menü

 

 

 

 

 

 




Vor 200 Jahren - am 23./27.08.1813:

Die vereitelte Einnahme von Berlin
Die Schlachten bei Großbeeren und Hagelberg

 

Die zwischen den Franzosen und den vereinigten Armeen aus Russen, Preußen und Schweden vereinbarte Waffenruhe endete nach nochmaliger Verlängerung am 10. August 1813. Natürlich wurde diese Zeit seit dem 1. Juni nur dazu genutzt, um neue Truppen auszuheben und auszurüsten. Beide Seiten hatten in den ersten Begegnungsgefechten und Schlachten des Frühjahrs 1813 bereits erhebliche Verluste tragen müssen. Besonders Napoleon merkte nun eindeutig, dass der Bonus der Unbesiegbarkeit seiner Grande Armee dahin war. Mit einer solchen Verbissenheit und Kampfmoral hatte er bei seinem alten/neuen Gegner nicht gerechnet. Das hatte nichts mehr mit jener preußischen Armee zu tun, die er im Jahre 1806 problemlos bezwungen hatte. Der Befreierwille der neu aufgestellten Kontigente war groß und besonders die neu aufgestellten Landwehreinheiten aus dem Volk bewiesen mehr und mehr ihre gewaltige Kampfkraft.
Und schon rückten im Spätsommer des Jahres 1813 französische Verbände aus, um Berlin als Hauptstadt Preußens in französische Hand zu bekommen. Napoleon war äußerst erbost darüber, dass sich Preußen gewagt hatte, ihm den Krieg zu erklären, jenem Preußen, dem er, der große Kaiser, gestattet hatte, einen neutralen Teil östlich der Elbe für sich zu behalten - abgesehen von den für ihn wichtigen Festungen. Nun galt es diesem Preußen zu zeigen, dass er Preußen nun gänzlich von der Landkarte wischen würde. Während der französische Marschall Oudinot mit drei Korps (Bertrand, Reynier, Oudinot) und einem Kavalleriekorps auf Berlin marschierte, wandte sich Napoleon selbst Richtung Dresden, um den vermaledeiten Blücher mit seiner Schlesischen Armee zu schlagen. Oudinots Armee bestand aus 75.000 Mann. Zu dieser sollten aber vor Berlin noch die Armeen unter Marschall Davout aus Richtung Hamburg und die Armee unter General Girard aus der Magdeburger Festung stoßen. Doch dazu kam es durch das beherzte Eingreifen des Generals von Bülow nicht mehr. Denn die Verbündeten hatten längst ihre Nordarmee zur Sicherung Berlins in Stellung gebracht und erwarteten den französischen Angriff auf Berlin. Nur ein Problem gab es, den schwedischen Kronprinzen, der als General Bernadotte die Nordarmee befehligte, aber ehemaliger General unter Napoleon war. Zudem er offen deklarierte, Berlin preiszugeben, wenn der Ansturm zu heftig wird. Doch Bülow wollte von einem Rückzug und einer Preisgabe der Hauptstadt nichts wissen. Er äußerte zornig, dass er ihm nicht eher über die Spree folgen werde, bis nicht eine Schlacht für Berlin geschlagen sei. Sicher ist, die Taktik Bernadottes war, nicht gegen Napoleon selbst kämpfen zu wollen. Doch Napoleon marschierte gegen Dresden. Als Oudinot am 23. August seine Korps gegen Berlin
weiter vorrücken ließ, war Bülow fest der Ansicht, dass es klug wäre, dieses Armee unter Oudinot sofort anzugreifen und nicht zu warten, bis diese sich mit den anderen beiden Armeen vereinigen konnte. Sein Plan stand fest. Aber das erste Treffen fand nicht bei ihm, sondern beim preußischen General Tauentzien bei Blankenfelde statt. Das Korps unter Bertrand geriet in so heftiges Abwehrfeuer, dass es das weitere Vorgehen einstellte. Zudem von den anderen französischen Korps noch nichts zu sehen war. Als endlich auch Oudinot mit seinem Korps bei Großbeeren eintraf, regnete es in Strömen, so befahl er, einen Biwak zu beziehen. Und die Soldaten werden wohl auch nicht unzufrieden über diesen Befehl gewesen sein. Bülow aber befahl seinen Männern, sich auf den Angriff vorzubereiten. Und gerade in jenem Augenblick, als er den Befehl zum Angriff an seine Offiziere geben wollte, erreichte ihn eine Depesche von seinem Oberbefehlshaber Bernadotte: „Rückzug bis auf die Weinberge vor Berlin“. Bülow meinte „Eher sollen unsere Knochen vor Berlin bleichen. Nicht rückwärts.“ Aber er war dennoch vorsichtig und gab dem Melder die Nachricht mit, dass er sich bereits in Abwehrkämpfen befände und die Russen und Schweden um Hilfe bitte. Dann ließ er die Truppen zum Angriff vormarschieren. Im Zentrum befanden sich direkt vor ihm das Korps Oudinots, diesem galt der Angriff. Gegen 18 Uhr donnerten die Geschütze beider Seiten, dann folgte der Infanterieangriff der Preußen. Oudinot war nicht darauf vorbereitet. Regen, Matsch und Dunkelheit erschwerten alle Manöver, es war ein Durcheinander und Ringen, bis Oudinot nach langem Hoffen den Rückzug befahl. Aber gegen 20.30 Uhr erhob sich plötzlich wieder großer Waffenlärm, die Kavalleriedivision unter dem Franzosen Founier war verspätet herangezogen worden und zum Gegenangriff angetreten. Sie durchbrachen die preußischen Linien, drangen bis zum preußischen Biwak vor, um dann plötzlich aus der Flanke von preußischen Husaren und Dragonern angegriffen zu werden, bis die Franzosen völlig versprengt waren. Als die Nacht anbrach, galt eines als sicher, die Franzosen waren geschlagen und zogen sich Richtung Wittenberg zurück.
Bernadotte hatte Tage später in einer Berliner Zeitung veröffentlicht, dass er den Befehl zum glorreichen Sieg und zur Verteidigung Berlins gegeben habe. Bülow schrieb daraufhin am 27. August an seine Frau: „Es ist nicht wahr, dass er mir befohlen hat, den Feind komplett anzugreifen ... Ich forderte ihn auf, mit den Schweden vorzugehen, da er dann dem Feinde den Rückzug abschneiden konnte; er tat es nicht; es freut mich, dass wir alles allein getan haben.“
Doch da waren ja noch die farnzösischen Truppen von Girard und Davout, die sich auf Berlin zubewegten. Während Davout nie bis Berlin vordrang, erreichte der General Girard mit seiner Division am 27. August 1813 Hagelberg. Doch auch ihm war bekannt, er stand allein, denn Oudinot lag längst in der Lutherstadt in Sicherheit. Doch was nun? Girard war unsicher. Da lag er nun mit seiner Truppe vor Belzig und wusste so richtig nicht weiter. Er wartete auf Befehle, doch diese erreichten ihn nun nicht mehr, denn General Hirschfeld, der mit seinem preußischen Kontingent aus hauptsächlich Landwehrtruppen in dieser Gegend sicherte, war längst auf Girard aufmerksam geworden. Auch an diesem Tage goss es bereits seit dem Mittag wie aus Kannen. Das Pulver war feucht, vom Schießen konnte kaum eine Rede sein. Dennoch ließ auch Hirschfeld seine Leute zum Angriff aufstellen. Halbkreisförmig umfasste er das zur Verteidigung ausgebaute Lager der Franzosen. Auf beiden Seiten waren es vornehmlich unerfahrene, frisch aufgestellte Einheiten. Zudem die französischen Einheiten vornehmlich mit jungen Männern aus Thüringen, Sachsen und dem heutigen Sachsen-Anhalt aufgefrischt worden waren. Schon nach dem ersten Angriff liefen die ersten zu den Preußen über, weil sie nicht willens waren, für die Franzosen weiter zu kämpfen. Mörderisch an diesem gewaltigen Gefecht war, dass die Gewehre nicht schossen, die Bajonette meist an den nassen Uniformen abglitten, so dass die Preußen bald ihre Gewehre umkehrten und mit dem Kolben auf die Feinde einschlugen. Und da die meisten aus der Landwehr mecklenburgische Bauern waren, nutzten sie ihren Gewehrkolben wie einen Dreschflegel. Es muss ein fürchterliches Gemetzel gewesen sein. Eine russische Kavallerieeinheit unter General Tschernischew, die den Lärm hörte, stürmte nun auch heran und gab den verbliebenen Truppen Girards den Rest. Dieses Gefecht, welches als Kolbenschlacht in die Geschichte einging, war vornehmlich ein hervorragender Beweis, zu welchen Erfolgen auch einfache Landwehreinheiten imstande waren.
Axel Kühling

Menü