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Wintersonnenwende im Harz

Friedrich von Sydow 1839

„Der Bau der (Weihnachts)-Pyramide und die Fackelfeier um ihn scheinen auf einen vorchristlichen Ursprung hinzudeuten, und man hat darüber zum Theil sehr scharfsinnige Vermuthungen aufgestellt, die ich hier kurz anführen will. Die Einführung des Christenthums war mit wilden Kämpfen verbunden und die Zuckungen des in Furcht gehaltenen Volksgeistes dauerten Jahrhunderte fort. Es war daher eine sehr lobenswerthe Klugheit der christlichen Gewalthaber, die heidnischen Volksfeste beizubehalten und ihnen nur christliche Deutung unterzuschieben. Auf diese Art sind fast alle unsre kirchlichen Feste aus dem Heidenthum unserer Vorfahren hervorgegangen. Auch das St. Antoniusfest scheint auf ähnliche Weise entstanden zu sein, und zwar stellt sich in ihm eine dreifache Verschmelzung dar. Zuerst war es wohl heidnisch, dann feierte man es dem heiligen Antonius zu Ehren, dessen Gedächtnißtag aber auf den 17. Januar fällt, und endlich verlegte man es auf den Weihnachtsheiligabend und verband damit eine Vorfeier des Christfestes. Und nur diese letzte Bedeutung hat sich im Volke erhalten (siehe bspw. Schweina, Hasselfelde).

Als heidnisches Fest konnte es die Feier der Sonnenwende sein, welche im deutschen Norden auf den 21. December fiel. Es hieß das Juelfest (und offenbar stammt unser jolen, jubeln von Jul ab) und wurde mit dem ausgelassensten Jubel, Gesang und Opferfeuern, die man von Bergen emporflammen ließ, begangen. Man erbaute Altäre von rohen Steinen auf die Gipfel der Berge, schlachtete ein Schwein als Opfer dem Gotte Freier oder der Göttin Freia oder der Hertha, man that Gelübde für die Fruchtbarkeit der Erde, man beschenkte sich gegenseitig und buk Kuchen in Gestalt von Schweinen. Das gegenseitige Darbringen von Geschenken hat sich in unsern Christgeschenken erhalten, die eigenthümliche Form des Backwerks scheint auf unsere Christstollen übergegangen zu sein, unser Landvolk schlachtet noch vor Weihnachten seine Schweine ins Haus und Weihnachten ist uns ein Fest der Freude geblieben. Ja das Wort Weihnacht selbst schließt den Begriff einer feierlich durchlebten Nacht in sich. Hierher gehört auch die scherzhafte altdeutsche Sage, daß der, welcher am Christheiligenabend bis zum Nachtessen faste, ein goldnes junges Schwein zu sehen bekomme. Das wilde Heer hieß im Norden das Julafolk und auch dieses bricht in den mit der Christnacht beginnenden bedeutungsvollen zwölf Nächten aus (den Bergen) hervor und hält seine schauerlichen Züge durchs Gebirge. Die Feuersäulen stiegen in den Aequinoctial- und Solistitialnachten von den Bergkronen empor und leuchteten in das Land, als hochherrliche Symbole; und fürwahr die Seele jubelt in so feierlicher Nacht mit den Flammen den Sternen zu. In diesen näc htlichen Bergfeuern glühte und sprühte eine tiefsinnige religiöse Volkspoesie. Nichts ist mehr geeignet, das Herz zu läutern, große, heilige Entschlüsse hervorzurufen, unangestammter geistiger Kraft sich bewußt zu werden und den Zauber der Begeisterung flammenroth auf die Seele auszugießen, als solcher nächtliche Feuergottesdienst. Das haben die wohl geahnet, die es nicht gern sahen und verboten, daß auch in unserer Zeit solche Dank- und Freudenfeuer auf den deutschen Bergen loderten.

Die Pyramide auf dem Tungelsberge (Antoniusberg bei Schweina) deutet auf den Altar, die Fackelfeier auf das Feuer, die Gesänge auf den Jubel, und dies ist die heidnische Grundlage des Festes. Der heilige Antonius galt im Mittelalter für den Heiler einer fürchterlichen Krankheit und den Beschützer vor derselben, die man nach ihn das Antonius-Feuer nannte. Sie (die Pest) grassierte im 11. und 12. Jh. auf eine Grausen erregende Weise in Europa, und dörrte und schwärzte jedes davon befallene Glied, als sei es verbrannt, ja den ganzen Körper. St. Antonius wurde dadurch der Fürbitter für viele andre ähnliche Krankheiten. Zum Dank, daß er einen vom Feuer befreit oder davor behütet hatte, zündete man ihm an seinem Namensfeste Feuer auf Bergen an.
(gekürzter Auszug)

 

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